Massive Attack „Heligoland“

Auch wenn die Veröffentlichung von Massive Attacks fünftem Studioalbum „Heligoland“ mittlerweile schon ein Jahr her ist, lohnt ein genauerer (Rück-) Blick auf das Album. Vielleicht ist es sogar besser, nicht zu den Ersten zu gehören, die gleich nach Veröffentlichung ihre Rezensionen texteten. Warum? Ganz einfach: „Heligoland“ ist kein Album, das man nach dem ersten Hören mag. Vielen langjährigen Anhängern von Massive Attack dürfte es vielleicht ähnlich ergangen sein. Zunächst große Freude, als es hieß, dass die Trip Hop-Veteranen aus Bristol, die, die diesen Sound einst erfanden, nach langen Jahren der Stille endlich wieder eine Veröffentlichung planten. Dann die Enttäuschung. Zwar hielt man wieder ein typisches Massive Attack-Album in den Händen, doch es hatte allen Pioniergeist ausgeatmet und wirkte an vielen Stellen nur noch wie die Kopie einer Kopie einer Kopie…

Ein blasser Schatten früherer Größe schimmert hier und da noch durch die Songs – mehr nicht. Die vier vorausgegangenen Studioalben waren allesamt Offenbarungen gewesen: „Blue Lines“, „Protection“, „Mezzanine“ und „100th Window“ – jede Veröffentlichung der über zwanzigjährigen Bandgeschichte hatte tiefe Spuren hinterlassen und unzählige andere Formationen und Künstler nachhaltig geprägt. Massive Attack waren, wie der Name schon sagt, zu jeder Zeit ein Frontalzusammenstoß mit dem Seichten und Leichten, ebenso wie mit dem Brachialen und Lauten. Massive Attack spielten in ihrer eigenen Liga. Für diese Gruppe gab es keine Schubladen, der Massive Attack-Sound umfasste ein so weites Spektrum, dass es unmöglich war, sie irgendwo einzuordnen. Und genau hier lauerte schließlich auch die größte Gefahr für die Gruppe: Nicht mehr herauszufinden aus dem eigenen Klanguniversum und sich am Ende immer abgeschwächter nur noch selbst zu imitieren.

Dann also „Heligoland“, 2010. Sieben lange Jahre waren seit „100th Window“ vergangen und man hatte sich immer mal wieder die Frage gestellt, lebt das Projekt Massive Attack überhaupt noch? Ja und nein, muss man nach dem Hören von „Heligoland“ ehrlicherweise antworten. Enttäuscht legte man die Platte erstmal beiseite und las parallel dazu erstaunt die vielen überschwänglichen Rezensionen. Kopfschütteln. Nach einiger Zeit ein zweiter und dritter Versuch. Doch der erste Eindruck wollte und will immer noch nicht schwinden.

Exemplarisch für diese Enttäuschung steht der Song „Paradise Circus“. Das Stück baut auf einem einfachen und uninspirierten Akkord auf, der sich bis ans Ende fortsetzt. Dazu ein schleifendes Schlagzeug, ein paar Streichersequenzen und der fast schon tonlos gehauchte Gesang von Hope Sandoval. Das ist wenig. Zu wenig. Und scheinbar alles, was von dieser großartigen Formation übrig geblieben ist. Mit dem Track „Girl I Love You“ weht noch einmal ein wenig von der alten solitären Größe herüber. Auch vom Abgrund der Gefühle, der sich bei ganz vielen Massive Attack-Stücken in einem auftut. Doch auch dieser Song bleibt letztlich ein blasser, blutleerer Abklatsch früherer Kompositionen, die hier ganz offensichtlich ohne viel Mühe schablonenhaft kopiert werden sollten. „Girl I Love You“ mündet in eine Kakophonie ein, die symptomatisch für ganz „Heligoland“ steht. „Rush Minute“, „Saturday Comes Slow“ (trotz Damon Albarn) und so weiter – am Ende weiß nicht ein einziger Track zu überzeugen.

Nein. „Heligoland“ bleibt eine Enttäuschung. Leider. Wie oben schon angedeutet – womöglich ist die Zeit dieser prägenden Formation für immer vorbei. Irgendwie hat sich Massive Attack verloren. „Heligoland“ zumindest bleibt in den hinteren Reihen des Plattenregals vergraben, denn auch nach dem zweiten und dritten Hören entfacht die fünfte Scheibe der Bristoler einfach kein Feuer. Der Funke fehlt, das Album glüht schwach und erlischt.

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