Arcade Fire „The Suburbs“

Cover Arcade Fire – The Suburbs

Mit „The Suburbs“ legen die Erfolgs-Indie-Rocker von Arcade Fire ihr drittes Studioalbum vor. Der Titel des Albums ist dabei durchaus programmatisch zu verstehen: Nach Singles wie „Neighborhood“, „Keep The Car Running“ oder „No Cars Go“ wird wieder ein zentrales Thema der Band musikalisch umkreist – Bewegung und Stillstand, Fahren und Vorstadt, die Hoffnung der Flucht und die Tristesse des Ewiggleichen. Nicht von ungefähr beginnt das Album mit dem melancholischen Titel „The Suburbs“, dem gleich darauf der deutlich optimistischere „Ready To Start“ folgt. Mit Arcade Fire auf der Flucht aus der Gleichförmigkeit der Vorstädte. Doch der Reihe nach.

„The Suburbs“ ist ein gelungener Auftakt für das neue Album. Der Song hat keinen wirklichen Anfang – er klingt, als ob man sich zufälligwerweise in ihn reingezappt hätte. Ein schleifendes Schlagzeug, die deutlich herausgearbeitete Melodie und der eingängige Refrain tragen das Lied. Ein wenig monoton kommt „The Suburbs“ rüber und greift damit das zugrunde liegende Thema des Songs und des ganzen Albums geradezu perfekt auf. Der Text sagt ja auch schon alles: „In the suburbs I, I learned to drive/And you told me we’d never survive/Grab your mother’s keys we’re leaving“. Fahren lernt man in den Vorstädten, was auch bleibt einem anderes übrig? Bloß weg hier, raus in die Weite.

Und die Flucht gelingt. Mit „Ready to start“, dem zweiten Song des Albums, ist man bereits unterwegs, die Vorstadt verschwindet langsam im Rückspiegel. Ganz abschütteln freilich kann man die Vorstadt nie, die Erinnerungen reisen mit. Melancholie und Gedankenschwere ziehen sich durch das ganze dritte Arcade Fire-Album. Es ist mit 16 Songs ein pralles und abwechslungsreiches Album geworden. Und auch wenn der Grundton stets melancholisch bleibt, gibt es doch einige „Außreißer“: Das getragene, fast schon klassisch anmutende Stück „Rococo“ ist so ein Beispiel, aber auch das nervös zuckende und treibende „Empty Room“.

Bis jetzt haben sich Arcade Fire ja immer an den Drei-Jahres-Turnus bei der Veröffentlichung ihrer Alben gehalten – das ist auch jetzt nicht anders: „Funeral“ erschien 2004, „Neon Bible“ 2007 und „The Suburbs“ jetzt 2010. Nur Zufall?, oder doch vielleicht genau die Zeit, die Win Butler und sein kanadisches Bandkombinat zur künstlerischen Entwicklung neuer Ideen brauchen? Ist „The Suburbs“ eine große Überraschung? – Das kann man mit einem recht eindeutigen „Nein“ beantworten. Auch wenn das neue Album professioneller, gereifter klingt, als die beiden Vorgänger, bleiben sich Arcade Fire auch hier ihrem eigenen Sound weitgehend treu. Einer der schönsten Songs des neuen Albums, der ganz besonders für diesen speziellen Arcade Fire-Sound steht, ist unserer Meinung nach „Half Light I“ – die wunderbaren Gitarrenriffs werden von hell strahlenden Streichern und gegen Ende einem entgegen laufenden mehrstimmigen Chor getragen. Der Song läuft in eine unbekannte Klangferne, die gar nichts mehr mit der Enge der Vorstädte zu tun hat. Aufbruchsstimmung und ein breites Lächeln lösen der Song aus.  „Half Light II“ folgt „Half Light I“ – der erste Teil mündet in eine Fortsetzung, die entfernt an die Musik von David Bowie (einem bekennenden Fan der Band) erinnert. An dieser Stelle ist „The Suburbs“ Pop. Und genau das macht es – wie bereits angedeutet – insgesamt so rund und abwechslungsreich. Fast jeden neuen Song von Arcade Fire will man gleich nochmal hören. Auch der Zusammstellung der Songs gebührt ein großes Kompliment. Den aufwühlenden Stücken folgen stets fragil-leise Songs, die dafür sorgen, dass man nicht zu sehr abhebt. Es ist fast so, als sollte man immer wieder an den Ausgangspunkt der Reise erinnert werden, nur um im nächsten Moment wieder auf’s Neue auszubrechen, den Schlüssel im Zündschloß zu drehen und abzuhauen.

Beinahe schon eine Aufforderung zu Revolte und Rebellion ist „Month of May“, das rockigste Stück auf der neuen Platte. Es wird wieder gefolgt von einem gefälligen – das Arcade Fire-Album also bleibt sich im Wechsel treibend/beruhigend stets treu. „The Suburbs“ ist ein Konzeptalbum – es endet mit dem Anfang, oder eben umgekehrt. Ein hollywoodreifer Streicherteppich begleitet den Hörer ans Ende der Platte, wo sie wieder beginnt. Erstes und letztes Stück tragen den gleichen Namen und dieser wiederum ist auch der Name des Albums.

Das Warten auf „die Neue“ von Arcade Fire hat sich gelohnt, das kann man ohne zu übertreiben sagen. Bei Arcade Fire sind Vollblutmusiker am Werk, die mittlerweile zu ihrem eigenen Stil gefunden haben: melancholisch, schwer, dann wieder federleicht und stets meisterhaft komponiert und umgesetzt. Die Band ist mit ihrem neuen Album 2010 auch auf Tour. Wer sich die Platte zulegt, sollte auch über ein Ticket für eines der Arcade Fire-Konzerte nachdenken. Unsere Empfehlung für beides gibt es auf jeden Fall.

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